In dem Beitrag Abmahnung eBay: gewerblich oder privat habe ich bereits einige Ausführungen zur Abmahnung des RA Alexander Kysucan und dem Hintergrund des Verfahrens gemacht. An dieser Stelle nun einige Ergänzungen:
Offensichtlich hatten weder Herr Wolf Brewitz, noch sein Rechtsanwalt Herr Alexander Kysucan, Interesse an der Unterlassung der von ihnen behaupteten wettbewerbswidrigen Aktivitäten meiner Mandantin. Eine Unterlassungserklärung hatte meine Mandantin außergerichtlich nicht abgegeben. Das hat jedoch weder den Kläger, noch seinen Anwalt weiter gestört.
Die Klägerseite hat nur einen Anspruch konsequent verfolgt – den behauptete Zahlungsanspruch.
Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung des RA Alexander Kysucan
Bereits mit der Klageerwiderung habe ich auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung hingewiesen:
„Ganz offensichtlich liegt das beherrschende Motiv des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten im Gebührenerzielungsinteresse. Die einzigen Ansprüche die sie konsequent verfolgt haben, sind die diesem Verfahren zugrundeliegenden Zahlungsansprüche.“
Nachdem ich den Vortrag in einem weiteren Schriftsatz durch die dem Gericht bereits vorliegenden Daten ergänzt habe, erließ das LG München I folgenden Beschluss:
„I. Angesichts der nunmehr im schriftlichen Verfahren von der Beklagten angeführten Historie (Abmahnung mit Fristsetzung zum 9.9.2013, Beantragung eines Mahnbescheids am 19.9.2013, in dem nur die Abmahnkosten geltend gemacht wurden und Klagerehebung am 12.10.2013, in der es auch nur um die Abmahnkosten ging) neigt die Kammer nunmehr dazu, das Vorgehen des Klägers doch als rechtmissbräuchlich anzusehen, weil das Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund stand
ll. Aufgrund des Prozessrisikos, insbesondere im Hinblick auf eine zweite lnstanz, rät das Gericht den Parteien, sich zu einigen und macht gem. § 276 Abs. 6 ZPO folgenden Vergleichsvorschlag im schrifllichen Verfahren: (…)“
Weitere Argumente
Es gab weitere Argumente, die das Verfahren auch in anderer Hinsicht interessant machen. So hatte ich in der Klageerwiderung auch unter Beweis gestellt, dass der Kläger allein für die anwaltlichen Kosten der streitgegenständlichen Abmahnung seinen Gewinn von 9 Monaten aufwenden musste. Im gleichen Zeitraum hat er aber durch seinen Anwalt weitere Abmahnungen aussprechen lassen. Abgesehen davon, dass mir nicht ganz klar ist, wie der Kläger diese Kosten bei seinem geringen Gewinn gezahlt hat, ist der Klägervertreter diesem Vortrag im weiteren Schriftwechsel nicht einmal ansatzweise entgegen getreten. Damit stand auch das Kostenrisiko der Abmahnung in einem erheblichen Gegensatz zum wirtschaftlichen Nutzen des Klägers.
Auf den o.a. Beschluss des Gerichts reagierte RA Alexander Kysucan mit dem Hinweis, es habe sich bei der Nichtverfolgung des Unterlassungsanspruch um ein Versehen gehandelt.
Ein Schelm, der Arges dabei denkt ….
Nichtverfolgung des Unterlassungsanspruch
Normalerweise sollte es in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten um die Sache gehen – einen Wettbewerbsverstoß, der von einem Mitbewerber nicht hingenommen werden kann. Deshalb wird dieser normalerweise mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt. Üblicherweise setzt sich ein Anwalt deshalb eine Frist zur Kontrolle des Eingangs einer Unterlassungserklärung. Denn für die Geltendmachung eines tatsächlich bestehenden Anspruches im Einstweiligen Verfügungsverfahren ist eine sofortige Reaktion erforderlich. Ich will hier nicht den Eindruck erwecken, ein Freund dieser Verfahren zu sein. Ich bin es ganz gewiss nicht. Aber wenn es sich um eine echte Wettbewerbsverletzung handelt, ist das der juristische Gang der Dinge.
Wer einen Wettbewerbsverstoß ernst nimmt, vergisst nicht „versehentlich“, dass der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Normalerweise haben auch die Mandanten ein Interesse daran, über einen Sachverhalt informiert zu werden. Und dann hätte das „Versehen“ auch Herrn Brewitz auffallen müssen.
Was soll man nun davon halten: Der Anwalt vergisst „versehentlich“ den Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Sein Mandant hat offensichtlich auch kein Interesse daran. Aber dafür machen sie die anwaltlichen Gebühren für die Abmahnung sofort gerichtlich geltend.
Kostenrisiko
Das Problem für die Verfahrensbeteiligten war allerdings eine durch das Gericht zunächst beschlossene Streitwerterhöhung von € 755,80 auf € 10.755,80. Damit war das Kostenrisiko für zwei Instanzen für beide Seiten erheblich und meiner Mandantin zu hoch. Und das konnte ich angesichts der nicht einheitlichen Rechtsprechung in diesem Bereich nachvollziehen. Auftragsgemäß habe ich daher das Einverständnis meiner Mandantin zu dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag erklärt.
Ich hätte die Sache gern durchgefochten – auch vor dem OLG. RA Kysucan hatte dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zunächst nicht zugestimmt. Nachdem bereits Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wurde, hat er es sich offenbar doch anders überlegt. Die Sache wurde gemäß dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag beendet.
Da auch der Streitwert wieder auf € 755,80 herunter gesetzt wurde, blieben die Kosten für meine Mandantschaft weit unter dem Betrag, den wir ursprünglich als „worst case“ diskutiert hatten. Und sie lagen auch unter dem Betrag, den wir für einen Vergleich veranschlagt hatten.
Fazit:
Es gibt wenig Urteile, die die Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen bestätigen. Aufgrund des zunächst geringen Streitwertes bestand hier eine Chance, eine weitere Entscheidung zu Gunsten von Abgemahnten zu erstreiten. Wir hätten zwar die Streitwerterhöhung durch frühzeitige Abgabe einer Unterlassungserklärung im gerichtlichen Verfahren vermeiden können. Aber damit hätten wir evtl. auch unseren Argumenten die Stichhaltigkeit genommen.
Auf ein weiteres Problem – die eBay-Werbung – bin ich bereits in dem o.a. Beitrag eingegangen. Das Ergebnis: die Kelleraufräumaktion meiner Mandantin – forciert durch regelmäßige eBay-Werbung – macht aus der privaten Verkäuferin in juristischer Hinsicht möglicherweise eine gewerbliche Verkäuferin. Die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung gibt Abmahnern bei ähnlichen Sachverhalten meist recht.
Es hat Jahre gedauert, bis die Rechtsprechung in Filesharing-Angelegenheiten die Kluft zwischen der juristischen Bewertung und der lebensnahen Wirklichkeit erkannt hat. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass eine ähnliche Entwicklung auch für den Bereich der wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen privater eBay-Verkäufer erfolgen wird.
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