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Störerhaftung Filesharing + sekundäre Darlegungslast

Störerhaftung Filesharing

Viele Aspekte der Störerhaftung im Urheberrecht und der sekundären Darlegungslast in Filesharing-Angelegenheiten ergeben sich aus der Rechtsprechung des BGH. Diese haben wir in einem Blog-Beitrag zusammen gefasst (Filesharing-Urteile des BGH – Loud, Afterlife, BearShare u.a.).

Die Störerhaftung

(Einen wichtigen Aspekt schließen wir in diesem Beitrag aus: Die behauptete Urheberrechtsverletzung ist nicht über den betroffenen Anschluss erfolgt. Die Datenermittlung war fehlerhaft.)

Oft haben Betroffene, die eine Abmahnung wegen Filesharing erhalten haben, die behauptete Rechtsverletzung nicht selbst begangen. Sie können sich zunächst auch nicht erklären, wer die Daten heruntergeladen bzw. anderen durch Upload zur Verfügung gestellt haben soll. Irrtümlich gehen sie dann davon aus, dass die Abmahnung unberechtigt ist.

Tatsache ist jedoch, dass ein Anschlussinhaber evtl. auch haftet, wenn er selbst nicht Täter der Urheberrechtsverletzung war.

Hier gelten die Grundsätze der sogenannten „Störerhaftung“.

D.h: Jemand, der die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung nicht selbst begangen oder auch keinem anderen dabei geholfen hat – also nicht Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung war – kann auch dann zur Haftung herangezogen werden, wenn er durch Verletzung ihm zumutbarer Prüf- oder sonstiger Pflichten zu dem Rechtsverstoß beigetragen hat.

Grundsätzlich ist zunächst zwischen zwei Varianten zu unterscheiden:

  1. Kein Schutz des Internetanschlusses vor dem Zugriff durch Unbekannte (Störerhaftung WLAN)
  2. Prüfpflichten gegenüber den berechtigten Nutzern des Anschlusses.

Beispiele zur Störerhaftung Filesharing

Erfahrungsgemäß wird häufig auf folgende Konstellationen verwiesen, die hier nur beispielhaft dargestellt werden:

  • Nicht der Anschlussinhaber (meist die Eltern oder ein Elternteil), sondern das Kind hat die Urheberrechtsverletzung begangen;

Die Rechtsprechung stellt zwar – nicht nur im Bereich der Störerhaftung – an die Erziehungsberechtigten unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der Belehrungs- und Kontrollpflichten von minderjährigen und volljährigen Kindern, aber allein die Tatsache, dass der Verstoß durch einen Minderjährigen begangen wurde, schließt eine Haftung nicht aus!

  • Die Urheberrechtsverletzung wurde nicht vom Anschlussinhaber begangen, aber der WLAN-Router war nicht geschützt.
  • Innerhalb einer WG hat ein Mitbewohner des Anschlussinhabers die Rechtsverletzung begangen.
  • Der Anschlussinhaber selbst war nicht in der Wohnung – der Rechtsverstoß wurde während dessen Abwesenheit durch einen Freund begangen.
  • Die Familie des Anschlussinhabers hatte Besuch (oft aus dem Ausland) – ein Besucher hat den Rechtsverstoß begangen.

Grundsätze der allgemeinen Störerhaftung

Die „Störerhaftung“ bzw. der Begriff des „Störers“ findet sich u.a. auch im allgemeinen Zivilrecht, beispielsweise in § 1004 BGB. Das Landgericht Köln definiert die Störerhaftung wie folgt:

„Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat).“

LG Köln, 28 O 241/09

Allerdings hat der BGH später die Störerhaftung eingeschränkt:

„Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus.“ (BGH I ZR 304/01).

In Filesharing-Verfahren ergibt sich daher folgende Situation:

Die Rechteinhaber können nur nachweisen, über welchen Anschluss die Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Denn sie haben keinen Einblick in die tatsächlichen Gegebenheiten bei dem Anschlussinhaber. Daher haben sie keine Kenntnis, welche andere Person ggf. die Rechtsverletzung begangen hat.

Auf der anderen Seite haben die Anschlussinhaber erhebliche Probleme, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, wenn sie die Rechtsverletzung nicht selbst begangen haben.

Da für beide Seiten Beweisprobleme bestehen, hat der BGH in den letzten Jahren ein abgestuftes Darlegungs- und Beweissystem entwickelt. Dadurch soll ein (möglichst) fairer Interessenausgleich für beide Seiten erfolgen:

Tatsächliche Vermutung der Täterschaft

Kann der Rechteinhaber nachweisen, dass über den betreffenden Anschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, besteht laut BGH zunächst eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der ermittelte Anschlussinhaber als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH Urteil vom 12. 05.10 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens)

In späteren Urteilen hat der BGH die o.a. Vermutung konkretisiert und entschieden, dass eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet ist, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.

Der Anschlussinhaber trägt dann eine sekundäre Darlegungslast (BGH-Urteil vom 08. 01.14 – I ZR 169/12 – BearShare)

Das heißt: Die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers besteht zunächst, aber der Anschlussinhaber kann diese im Rahmen der sekundären Darlegungslast erschüttern.

Sekundäre Darlegungslast

Die Anforderungen, die die Gerichte an die sekundäre Darlegungslast stellen, sind sehr unterschiedlich. Obwohl die sekundäre Darlegungslast lt. BGH nicht zu einer Umkehr der Beweispflicht führt, hatten wir bei einigen Gerichtsverhandlungen durchaus den Eindruck, dass der Anschlussinhaber sich nur entlasten kann, wenn er seine Unschuld beweist >> Die [unbezwingbare] Hürde der sekundären Darlegungslast.

Der BGH hatte zu den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast nochmals sehr ausführlich in dem Urteil vom 06.10.16 – I ZR 154/15 – Afterlife Stellung genommen >>Das BGH-Urteil „Afterlife“ – Sekundäre Darlegungslast.

Wir gehen davon aus, dass sich an den vom BGH aufgestellten Grundsätzen auch nach dem Urteil des EuGH vom 18.10.2018 (Az. C-149/17) nichts ändert. Denn der BGH hatte bereits entschieden, dass der Anschlussinhaber zum konkreten Nutzungsverhalten der Familienangehörigen zum Tatzeitpunkt vortragen muss.

Minderjährige + Filesharing

Die Rechtsprechung zur sog. „Störerhaftung“ und der „sekundären Darlegungslast“ ist umfangreich und nicht einheitlich. Es handelt sich um Einzelfall-Entscheidungen, die nicht ohne weiteres auf einen konkreten Sachverhalt Anwendung finden können.

Wie o.a. gibt es verschiedene Konstellationen bei der Nutzungsmöglichkeit des Anschlusses durch Dritte. Eine dieser Konstallationen betrifft die – häufig anzutreffende – Nutzung des Internets durch minderjährige Kinder.

Einige der (späteren) BGH Entscheidungen sind selbstverständlich auch auf diese Situation anwendbar – insbesondere hinsichtlich der sekundären Darlegungslast. Ein Unterschied zur Nutzung durch Erwachsene besteht bei minderjährigen Kindern aber in den Prüf- und Kontrollpflichten der Eltern.

Prüf- und Kontrollpflichten

Der BGH hatte dazu erstmals im Urteil vom 15. 11.12 – I ZR 74/12 – Morpheus Stellung genommen und in einem Leitsatz ausgeführt:

„Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maß-nahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.“

BGH, I ZR 74/12

Weitere Informationen zu diesem Urteil finden Sie unter: BGH: Eltern haften nicht für Filesharing ihrer Kinder.

Die Sachverhalte, die den ersten BGH-Entscheidungen zugrunde lagen, haben eine Besonderheit: Ihnen lagen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zugrunde und der Täter war (meist) bekannt.

Diese Situation hat sich aber geändert – seit vielen Jahren gibt es derartige Ermittlungen nicht mehr. Oft ist der Täter nicht bekannt. Das führte schließlich zu den o.a. Grundsätzen der sekundären Darlegungslast.

Was aber, wenn der Täter bekannt ist und der Anschlussinhaber ihn nicht benennt?

Täter bekannt – BGH „Loud“

In dem o.a. Verfahren (BGH, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I ZR 19/16, „Loud“) waren beide Eltern Anschlussinhaber. Im Verfahrensverlauf hatten sie angegeben, dass sie wissen, welches ihrer volljährigen Kinder die Rechtsverletzung begangen hat, dass sie dieses aber nicht benennen.

Der BGH hatte zu berücksichtigen, dass sich hier zwei Grundrechte gegenüber stehen: Auf der einen Seite der Schutz der Familie und auf der anderen Seite das Eigentumsrecht. Er löste diesen Konflikt über die sekundäre Darlegungslast und führte in den Urteilsgründen aus:

„Im Streitfall hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt haben, indem sie nur darauf verwiesen haben, ihre drei volljährigen Kinder hätten Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Beklagten waren gehalten, im Rahmen der sekundären Darlegungslast das Kind zu benennen, welches ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hatte.“

BGH, I ZR 19/16

Dieses Urteil hat die Gemüter erhitzt. Unter „Filesharing-Urteile des BGH – Loud, Afterlife, BearShare u.a.“ finden Sie den Link zu einem Beitrag eines Kollegen, dessen Auffassung wir teilen.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 18.02.19 – 1 BvR 2556/17 entschieden und die gegen das BGH-Urteil und die Vorinstanzen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die hier beispielhaft aufgeführten Urteile zeigen bereits die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Beurteilung der Störerhaftung bzw. der sekundären Darlegungslast.

Obwohl diese Rechtsfragen erst in einem gerichtlichen Verfahren erörtert werden, liegen der sekundären Darlegungslast ggf. bestimmte Prüfpflichten zugrunde, die bereits bei Erhalt der Abmahnung zu realisieren sind. Anwaltliche Beratung ist daher zu empfehlen.

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