Mir liegt (nicht nur) eine Abmahnung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte, Bockslaff Kupferberg GbR, vor. Diese Abmahnungen betreffen u.a. die Rechteinhaber
- Kalypso Media Group GmbH und
- Astragon Entertainment GmbH
Den Abgemahnten wird vorgeworfen, unerlaubt Computerspiele zum Download zur Verfügung gestellt zu haben.
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Die Abmahnungen folgen dem bekannten Muster, haben aber auch Besonderheiten.
Das Abmahnschreiben
Wie bei Filesharing-Abmahnungen üblich, argumentiert die Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte nur mit älteren und abmahnfreundlichen BGH-Urteilen. Gegenteilige und neuere BGH-Urteile werden nicht thematisiert.
Auffällig sind dabei insbesondere – aber nicht nur – folgende Passagen:
„Aus der Adressermittlung ergibt sich, dass über Ihren Internetanschluss am … der Titel … unserer Mandantschaft mit dem vorstehenden Dateinamen illegal herunter- und hochgeladen wurde. Mit dem BGH (Urteil, vom 12.05.2010, Az.: | ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“, Urteil vom 15.11.2012, Az.: | ZR 74/12 „Morpheus“) wird damit tatsächlich vermutet, dass Sie die Rechtsverletzung als Täter begangen haben (dazu auch AG Frankenthal, Urteil vom 30.06.2014, Az.: 3b C 224/14; BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az.: | ZR 48/15 „Everytime we touch“).
Diese Vermutung können Sie nur widerlegen, wenn Sie darlegen, dass nicht Sie, sondern ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat. Sie tragen die sog. sekundäre Darlegungslast. Dieser können Sie entsprechen, wenn Sie nachvollziehbar vortragen, welche Person(en) mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (so BGH I ZR 48/15 a.a.O.).
Sie müssen daher Nachforschungen anstellen und das Ergebnis dieser Nachforschungen mitteilen. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von in Ihrem Haushalt lebenden Dritten auf Ihren Internetanschluss wird den an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht.„
Zitat aus einer Abmahnung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte
Sekundäre Darlegungslast – vorgerichtliche Aufklärungspflicht?
Das ist – was eine Abmahnung betrifft – so nicht generell richtig. Richtig ist, dass die sekundäre Darlegungslast in einem Gerichtsverfahren gilt. Falsch ist, dass Sie derartige Pflichten in jedem Fall bereits außergerichtlich im Rahmen einer Abmahnung erfüllen müssen.
Denn der BGH hat im Urteil I ZR 228/19 – “Saints Row” ausgeführt, dass den Anschlussinhaber bei der Reaktion auf eine Abmahnung unter bestimmten Voraussetzungen keine vorgerichtliche Aufklärungspflicht trifft.
Die Voraussetzungen, die dieser Entscheidung zugrunde lagen, waren
- der Abgemahnte wurde anwaltlich vertreten und hat
- eine Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Schuldeingeständnis abgegeben.
Der BGH kommt daher in der o.a. Entscheidung zu dem Ergebnis
„Da der – anwaltlich beratene – Beklagte dennoch keine Angaben zum Täter der Urheberrechtsverletzung machte, ist die Annahme des Berufungsgerichts, er habe mit der Abgabe seiner Unterlassungserklärung keine weitergehenden Pflichten eingehen wollen als zur Vermeidung einer Unterlassungsklage erforderlich, nicht zu beanstanden.“
BGH, I ZR 228/19
Datenermittlung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte
Auch was die Datenermittlung betrifft, sind die Abmahnungen der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte merkwürdig. Normalerweise teilen die Abmahnkanzleien zumindest mit, welche Firma die Datenermittlung durchgeführt hat. In der Abmahnung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte wird jedoch nur ausgeführt:
„Unsere Mandantin hat uns mit der Überwachung sog. P2P Netzwerke oder auch Filesharingnetzwerke beauftragt, in denen ihre Urheberrechte durch das Abrufen und Anbieten derselben verletzt werden. Wir werden von einem technischen Dienstleister unterstützt.“
Zitat aus einer Abmahnung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte
Ist der Dienstleister geheim? </Ironie off>
Auskunftsbeschluss
Die Abmahnungen erhalten Hinweise zu einem Auskunftsbeschluss des zuständigen LG, der angeblich den Abgemahnten betreffen soll. Diese Auskunftsbeschlüsse sind die Voraussetzung dafür, dass der Provider Auskunft geben darf, welche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt einem Anschluss zugeordnet wurde. D.h.: Die Abmahnkanzlei erhält nur über diesen Auskunftsbeschluss und die Auskunft Ihres Providers Ihre Adressdaten.
Allerdings sind die auf der Website der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte verlinkten Auskunftsbeschlüsse – in den mir vorliegenden Verfahren – völlig wertlos. Denn aus diesen ergibt sich nur, dass einen entsprechenden Beschluss gibt. Es fehlen die Anlagen, die
- die Rechteinhaber,
- das Werk,
- den Zeitpunkt der Rechtsverletzung und
- die entsprechenden IP-Adressen
enthalten müssen.
Unterlassungserklärung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte
Bei der der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung ist Vorsicht geboten. Einerseits geht diese über eine Haftung als Störer hinaus, worauf die Kanzlei (entsprechend der Gesetzeslage) auch hinweist.
Andererseits verknüpft die Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte den Entwurf der Unterlassungserklärung mit einem Vergleichsvorschlag. Das war mir bisher völlig neu. Selbst Rechtsanwalt Daniel Sebastian trennt die Unterlassungserklärung von einem Vergleichsvorschlag. Und das will etwas heißen! (Die Abmahnungen von Rechtsanwalt Daniel Sebastian haben auch ihre Eigenheiten).
In dem Vergleichsangebot liegt eine erhebliche Gefahr. Ein Vergleich ist ein anderer Vertrag, als eine Unterlassungserklärung. Denn mit einem Vergleich schließen Sie einen völlig anderen (neuen) Vertrag.
In diesem speziellen Fall stehen Ihnen dann die Verteidigungsmöglichkeiten in einem Filesharing-Verfahren nicht mehr zur Verfügung. Es geht bei einem Vergleich nicht mehr um evtl. Fehler in der Abmahnung, sondern nur noch um den Vergleich. Ein Vergleich ist ein Vertrag, der ein Leben lang gilt. Sich daraus zu lösen, ist nur in extremen Ausnahmefällen möglich. Und die liegen bei derartigen Vergleichen oft nicht vor.
Abmahnung der Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte: Fazit
Sie erhalten weder konkrete Informationen zu dem Auskunftsbeschluss, noch zu den technischen Vorgängen der Datenerfassung. Die in der Abmahnung angegebenen BGH-Urteile sind nicht vollständig – Ihnen werden wichtige Informationen vorenthalten.
Die Unterlassungserklärung, die – untypisch – auch ein Vergleichsangebot enthält, sollten Sie auf keinen Fall abgeben.
Verhaltensvorschläge bei Abmahnungen
Die Verhaltensvoschläge zu einer Reaktion auf eine Abmahnung sind meistens identisch. Sie finden diese u.a. unter Reaktion auf eine Abmahnung. Dort befindet sich auch eine Kurzfassung.
Weitere Informationen zu Abmahnungen finden Sie
- in den „FAQ Abmahnung“ (Antworten auf häufige Fragen zu Abmahnungen),
- unter Störerhaftung (mit Hinweisen zur „tatsächlichen Vermutung der Täterschaft„, der „sekundären Darlegungslast“ und zu „Filesharing von Minderjährigen„),
- unter Filesharing Abmahnung und unter
- Rechteinhaberin DigiRights Administration GmbH. Dieser Beitrag enthält ein umfangreiches Update zum Urteil des EuGH vom 17.06.2021 (C-597/19). Aus diesem ergeben sich neue Verteidigungsansätze.
Die Rechtsprechung des BGH zu Filesharing-Abmahnungen haben wir in einem Blog-Beitrag zusammen gefasst >> Filesharing-Urteile des BGH – „Loud“, „Afterlife“, „BearShare“ u.a..
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