Im Mai 2015 hatte der BGH in drei Filesharing-Verfahren entschieden (Tauschbörse I-III).
Am 12.05.16 befasste er sich gleich in sechs Fällen erneut mit verschiedenen Rechtsfragen in Filesharing-Angelegenheiten. In vier dieser Verfahren wurde jeweils durch die Kläger Revision gegen Entscheidungen des LG Bochum eingelegt.
Streitwert + Kosten der Abmahnung
Die Filesharing-Urteile des BGH vom 12.05.16 (I ZR 272/14, I ZR 43/15, I ZR 1/15 – Tannöd, und I ZR 44/15) beschäftigen sich im Wesentlichen mit der Höhe des Streitwertes bei Filesharing-Abmahnungen und den sich daraus ergebenden Anwaltskosten.
Das LG Bochum hatte den Gegenstandswert jeweils mit dem doppelten Lizenzschaden angesetzt. Dieser war weitaus niedriger, als der von Abmahnkanzleien regelmäßig angenommene Gegenstandswert von (mindestens) 10.000 EUR. Im Ergebnis dessen hatte das LG einen wesentlich geringeren Betrag für die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zuerkannt.
Der BGH (u.a. I ZR 272/14) teilt die Auffassung der Vorinstanz nicht:
„[39] cc) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Wert des von der Klägerin mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsbegehrens sei mit dem Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt werden.“
Auch auf die Frage der „Deckelung“ der Abmahnkosten (§ 97a Abs. 2 UrhG aF) ging der BGH ein. Die Filesharing-Urteile des BGH vom 12.05.16 enthalten umfangreiche Ausführungen zu den Merkmalen des einfach gelagerten Streitfalles und der Unerheblichkeit der Rechtsverletzung.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhG aF bei dem Anbieten urheberrechtlich geschützter Dateien zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig nicht vorliegen.
Weiter stellt der Senat klar, dass die Neuregelung in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG (Beschränkung des Gegenstandswertes für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf 1.000 €) für Altfälle nicht gilt.
In allen vier Verfahren erfolgte die Zurückweisung an die Vorinstanz. Dieser wird mit auf den Weg gegeben, dass bei illegaler Zurverfügungstellung eines durchschnittlich erfolgreichen Spielfilms zeitnah nach dem Erscheinen regelmäßig ein Gegenstandswert von nicht unter 10.000 € und bei einem Computerspiel unter den gleichen Voraussetzungen von mindestens 15.000 € angemessen ist.
Täterschaftsvermutung bei einem Ehepaar?
In den Verfahren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 – Tannöd, wurde durch die jeweiligen Beklagten die Chance zur Klarstellung eines anderen Rechtsproblems verschenkt. Anschlussinhaber war in diesen Verfahren jeweils ein Ehepaar. Das LG Bochum war u.a. im Verfahren zum Az.: I 8 S 9/14 von Mittäterschaft ausgegangen:
„Die Kammer ist der Ansicht, dass in derartigen Fällen von einer Mittäterschaft der gemeinschaftlichen Inhaber des Internetanschlusses auszugehen ist. Abgesehen davon, dass die Auffassung, wonach die Art des Delikts jede Form von Mittäterschaft ausschließe, nicht nachvollziehbar ist, ergibt sich dies auch aus der Morpheus-Entscheidung des BGH (BGH vom 15.11.2012, I ZR 74/12, „Morpheus“).“
LG Bochum, Az.: I 8 S 9/14
Der Morpheus-Entscheidung des BGH lagen jedoch andere Rechtsfragen zugrunde. Zwar wiederholt der BGH seine früheren Ausführungen zur Täterschaftsvermutung auch in Bezug auf die dortigen gemeinsamen Anschlussinhaber. Aber das gesamte Urteil zeigt, dass die Frage, ob die Täterschaftsvermutung auch bei einem Ehepaar als Anschlussinhaber gilt, gar nicht revisionsrelevant war.
Leider hatte der BGH in den Verfahren vom 12.05.16 keine Gelegenheit, sich mit der o.a. Rechtsauffassung des LG Bochum auseinander zu setzen, da die jeweils Beklagten keine Einwände dagegen erhoben hatten:
„[25] (2) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagten für die geltend gemachte Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG als Täter haften. Von dieser Beurteilung, gegen die die Revisionserwiderung keine Einwände erhoben hat, ist im Revisionsverfahren auszugehen.“
Eine Vermutung dahingehend, dass der Anschluss durch zwei Inhaber meist gemeinsam (illegal) genutzt wird, ist lebensfremd. Diese Frage wurde aber durch die dortigen Beklagten in der Revision nicht aufgeworfen, so dass der BGH sich damit auch nicht näher auseinandergesetzt hat.
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