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Abmahnung des RA Kilian Lenard für Martin Ismail

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 18.06.2023

Pfeile liegen auf Dartscheibe = Ziel verfehlt

In der Abmahnung des RA Kilian Lenard wird dem Empfänger des Schreibens vorgeworfen, auf seiner Website Google-Fonts nicht lokal eingebunden zu haben. Damit seien Persönlichkeitsrechte verletzt worden, da die IP-Adresse des Website-Besuchers in die USA weiter geleitet werde.

Wenn Sie über eine Suchmaschine Ihrer Wahl nach “Abmahnung Google-Fonts”, “Abmahnung Rechtsanwalt Kilian Lenard” oder “Abmahnung Martin Ismail” suchen, erhalten Sie eine Vielzahl Suchergebnisse mit teils sehr guten Inhalten. Daher werde ich zur Reaktion auf die Abmahnung nur kurz Stellung nehmen.

Hintergrund und Reaktion auf die Abmahnung

Dieser Blog-Beitrag besteht aus einem ernsten und einem eher lustigen Teil. Wenn Sie die Fragen zum Hintergrund und der Reaktion auf diese Abmahnung überspringen wollen, können Sie gleich bei „Die IG Datenschutz und das Unwohlsein“ weiter lesen.

Bei den Google Fonts handelt es sich um ein Verzeichnis, das eine Vielzahl von Schriftarten beinhaltet. Diese Schriftarten können Sie frei auf Ihrer Website verwenden. Wenn Sie die Fonts nicht auf den eigenen Server hochgeladen haben, werden diese beim Aufruf der Website durch den Google Server nachgeladen. Dadurch werden Daten an Google übertragen. Und da liegt das Problem (dazu mehr unter Urteil des LG München I).

Grundsätzlich sollten möglichst keine externen Quellen, auch keine externen Fonts auf einer Website eingebunden werden.

Schriften können Sie auch lokal auf Ihrer Website einbinden. Und das sollten Sie auch in jedem Fall umsetzen – oder keine Google Fonts verwenden. So erfolgt keine Informationsübertragung an Google. Und es gibt keinen Verstoß gegen den Datenschutz.

Ein Verstoß gegen den Datenschutz liegt evtl. vor (s.o.). Hier handelt es sich aber einerseits um eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung. Und andererseits ergibt sich schon aus dem Schreiben keine Berechtigung zur Abmahnung. Denn zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird nicht konkret Stellung genommen

Stand 22.11.22 ist er als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied der RAK Berlin. Die Rechtsanwaltskammer Berlin wurde offenbar mit entsprechenden Anfragen überflutet. Und sie sah sich daher zu einer Pressemitteilung veranlasst. Das gab es meines Wissens bei vorherigen Abmahnwellen noch nie :-).

Ein Anwalt wird auf diese Frage normalerweise – aus Haftungsgründen – eher nicht eindeutig antworten. Und auch in diesem Punkt ist die Abmahnung des RA Kilian Lenard ein Novum. Denn viele Kollegen weisen darauf hin, dass eine Reaktion nicht erforderlich ist. Und ich teile diese Auffassung.

Aber:

Meine Einschätzung bezieht sich nur auf die mir vorliegende Abmahnung. Sollte der Abmahnanwalt sein Schreiben ändern, fällt die Antwort auf die o.a. Frage evtl. anders aus.

Nein! Aber auch hier die Einschränkung: Meine Einschätzung bezieht sich nur auf die mir bekannten Abmahnungen des RA Kilian Lenard.

Abmahnung des RA Kilian Lenard: Einige Auffälligkeiten

Zunächst fällt auf, dass die Abmahnung im Auftrag des Herrn Martin Ismail erfolgt. Danach erfolgt ein Hinweis auf die Interessengemeinschaft Datenschutz. Was die mit der Sache zu tun haben soll, bleibt im Dunkeln.

Der Abmahnanwalt behauptet nicht einmal, dass Herr Martin Ismail die Website des Abgemahnten selbst besucht hat. Das wäre aber Voraussetzung dafür, dass evtl. eine Persönlichkeitsverletzung vorliegen könnte.

Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Seitenbesuche für die Abmahnungen nicht durch eine natürliche Person erfolgen, sondern durch Crawler. Und dann liegt eine Persönlichkeitsverletzung nicht vor.

Die Interessengemeinschaft Datenschutz

Die Website der IG Datenschutz wurde offenbar erst nach Beginn der rechtsmissbräuchlichen Abmahnwelle im Namen des Herrn Martin Ismail erstellt – im September 2022. Ich vermute, dass bei den ersten Abmahnungen dieser Welle teilweise Rechtsanwälte mit der Zurückweisung beauftragt wurden, die sich vermutlich recht belustigt zu einer Interessengemeinschaft für Datenschutz geäußert haben, die nicht einmal eine Website nutzt.

Wie viele Mitglieder diese „Interessengemeinschaft“ hat, bleibt auch im Dunkeln – vermutlich aus Gründen des Datenschutzes :-) </Ironie off>. Im Impressum steht jedenfalls nur eine Person. Und dabei handelt es sich um – dreimal dürfen Sie raten – Herrn Martin Ismail.

Die IG Datenschutz und das Unwohlsein

Die IG Datenschutz schreibt auf ihrer Website unter dem Punkt “Über uns” allen Ernstes:

Uns vereint, dass wir aktuell große Sorge und ein Gefühl des Unwohlsams haben uns frei im Internet zu bewegen.

Für den Nichtjuristen ist es evtl. nicht nachvollziehbar. Aber mir ist bei diesem Satz vor Lachen die Kaffeetasse aus der Hand gefallen – und das nicht wegen des fehlenden Kommas. Es gibt im Internet viele seriöse Seiten zum Datenschutz. Diese vereint, dass sie das Thema ernst nehmen. Und ein Gefühl des Unwohlsams gehört nicht zu ihrem Vokabular.

Weshalb ist dieser Satz so lustig? Die Abmahnwelle zu Google-Fonts dürfte aus dem Urteil des LG München I, vom 20.01.2022, 3 O 17493/20, resultieren. Das Urteil enthält eine sehr ähnliche Formulierung:

… und das damit vom Kläger empfundene individuelle Unwohlsein …

LG München 3 O 17493/20

Ich finde schon diese Formulierung (und die Argumentation) gewöhnungsbedürftig. Vermutlich war sie Teil der klägerischen Ausführungen. Aber dass die IG Datenschutz es für erforderlich gehalten hat, den Ausgangspunkt für die Abmahnwelle derart untauglich durch eine Umformulierung zu verschleiern, fand ich amüsant.

Und das um so mehr, da mir zum Zeitpunkt des Lesens des o.a. Satzes ein anderer Gesichtspunkt (Browser) bereits bekannt war:

Die IG Datenschutz und der Datenschutz

Ich wiederhole mich: Herr Martin Ismail – als Verantwortlicher der IG Datenschutz – schreibt:

Uns vereint, dass wir aktuell große Sorge und ein Gefühl des Unwohlsams haben uns frei im Internet zu bewegen.

Aber ausweislich der Angaben in der Abmahnung verwendet er nicht nur den Google-Chrome-Browser (das werde ich nicht weiter kommentieren). Er nutzt jedoch eine völlig veraltete Version des Browsers. Mit den zwischenzeitlich veröffentlichten weiteren vier Versionen dieses Browsers wurden insgesamt 85! Sicherheitslücken geschlossen, darunter mehrere kritische.

Das sollte ihm wirklich ein Gefühl des Unwohlseins [sic] vermitteln :-).

Die IG Datenschutz teilt weiter mit

Denn wir erleben tagtäglich, dass vor allem im Internet leichtfertig mit unseren Daten umgegangen wird. Dadurch haben wir mittlerweile Angst uns frei im Internet zu bewegen.

Das wundert mich gar nicht, wenn ein Browser mit Sicherheitslücken verwendet wird.

Ein weiteres Zitat von der Website der IG Datenschutz

Die Mitglieder der IG Datenschutz werden aktuell offiziell von Rechtsanwalt Kilian Lenard aus Berlin vertreten.

Wir kämpfen dafür, dass sich dies ändert!

Ich kann den Mitgliedern der IG Datenschutz da einen Rat geben – und der ist sogar kostenlos! Sie müssen nicht dafür kämpfen, dass sich Ihre Vertretung durch Rechtsanwalt Kilian Lenard ändert. Das geht ganz einfach – und ohne Kampf! Normalerweise reicht es, dem Anwalt das Mandat zu entziehen :-) .

Urteil des LG München I, 3 O 17493/20: Technische Gesichtspunkte

Abgesehen davon, dass es weitere Bedenken zur Argumentation des LG München I gibt; fällt eine Aussage besonders ins Auge:

Berücksichtigt werden muss dabei auch, dass unstreitig die IP-Adresse an einen Server von Google in den USA übermittelt wurde,

Ich werde mich zu dem „unstreitig“ nicht äußern, weil es mir hier nur um die Sache an sich geht. Daher für zukünftige Gegen-Argumente bei ähnlichen Sachverhalten:

Es ist gerade nicht klar, ob die IP-Adresse an einen Server von Google in den USA übermittelt wurde. Es ist sogar ziemlich unwahrscheinlich. Denn Google hat mehrere Server in Deutschland. Und es ist wahrscheinlicher, dass die Browser-Abfrage zu Fonts bei einem Server in der Nähe – also in Deutschland – erfolgt.

Und damit schließt sich der Kreis zur Abmahnung des RA Kilian Lenard: Herr Ismail muss nachweisen, dass eine Serverabfrage in den USA erfolgte. Das dürfte ihm schwer fallen.

Weitere Aspekte zum Sachverhalt

Auf einige interessante Details am Rande möchte ich nur kurz eingehen:

Mittlerweile sah sich sogar Google veranlasst, eine Stellungnahme abzugeben.

Und die IG Datenschutz bzw. Herr Martin Ismail hatten offensichtlich kurzzeitig eine Idee, wie sie dem Argument des Rechtsmissbrauchs entgehen können. Vielleicht wollte Herr Martin Ismail auch Tatsachen für eine evtl. strafrechtliche Beurteilung seines Abmahnunwesens schaffen.

Egal wie – auf der Website der IG Datenschutz wurde kurzzeitig mit einer großzügigen Spende an den Verein Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. geworben. Dieser Hinweis wurde zwischenzeitlich entfernt, denn der DVD war so gar nicht einverstanden, in dieser Weise instrumentalisiert zu werden.

Laut Golem hat auch der Deutsche Kinderverein eine Spende zurück gewiesen.

Update

Offenbar hat die ganze Aktion nunmehr strafrechtliche Konsequenzen für die Abmahner: Laut einer Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin fanden im Zusammenhang mit den Google-Fonts-Abmahnungen Durchsuchungen in mehreren Bundesländern statt.

Zwar werden keine Namen genannt. Aber es geht um einen Anwalt mit Kanzleisitz in Berlin und einen angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“. Daher dürfte es sich bei den Beschuldigten um Herrn Kilian Lenard und Herrn Martin Ismail handeln.

Laut br.de geht es um gewerbsmäßigen Betrug und Erpressung mit Handlungen im vierstelligen Bereich. Der Schaden soll im sechsstelligen Bereich liegen.

Auch das LG München I (4 O 13063/22) wurde erneut tätig. Ein Münchener Kollege hat für seinen Mandanten geklagt und das Verfahren gewonnen. Auch in diesem Verfahren war wieder von den „Schmerzen“ die Rede, die der Beklagte bei dem Besuch von Websites mit nicht lokal eingebundenen Google-Fonts angeblich empfindet. Das LG sah das anders. Denn da ein Crawler eingesetzt wurde, konnte auch keine „persönliche Betroffenheit“ vorliegen.

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