Meine Mandantschaft wurde wegen einer behaupteten unberechtigten Bildnutzung abgemahnt. Die Abmahnung erfolgte durch RA Dr. jur. Müsse im Auftrag des Herrn Sven Teschke.
Herr Teschke hatte das streitgegenständliche Foto auf Wikimedia unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht.
Gemäß den Lizenzbedingungen darf das Bild beliebig kopiert und verwendet werden. Der Fotograf soll jedoch direkt beim Foto genannt werden. Darüber hinaus muss die Lizenz angegeben und auf diese verlinkt werden.
Beides war aufgrund eines Versehens einer Mitarbeiterin meiner Mandantschaft nicht erfolgt. Sie hatte lediglich „Wikimedia“ als Quelle angegeben. An sich wäre die Abmahnung daher berechtigt, jedoch ist sie meines Erachtens aus mehreren Gründen rechtsmissbräuchlich erfolgt.
Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung des RA Dr. jur. Müsse
Die Abmahnung wurde lt. Poststempel erst am 26.08.14 verschickt. Aber für die Abgabe der Unterlassungserklärung und den Zahlungseingang hat RA Dr. jur. Müsse Frist auf den 28.08.14 gesetzt. Für den Fall des Verstreichens der unmöglich einzuhaltenden Frist drohte er mit der gerichtlichen Geltendmachung. Damit hat er meine Mandantschaft unzulässig unter Druck gesetzt.
Darüber hinaus ist die der Abmahnung beigefügte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst. Denn sie beschränkt sich nicht auf die Website, auf der die Rechtsverletzung festgestellt wurde. Das führt jedoch insbesondere bei einer Firma zu einer Verschärfung des Haftungsrisikos. Diese Unterlassungserklärung warf die Frage auf, ob so Vertragsstrafen generiert werden sollen, die weit über die angegebene Rechtsverletzung hinausgehen.
Insgesamt vermittelt die Abmahnung nicht nur den Eindruck, dass neben der Erzielung von Vertragsstrafen die Erstattung der Abmahnkosten im Vordergrund steht. Es gibt noch weitere Indizien für die Rechtsmissbräuchlichkeit dieser Abmahnung.
Fehler in der Abmahnung
Das Foto wurde unter einer CC-Lizenz veröffentlicht. Daher geht es hier – anders als bei den meisten urheberrechtlichen Abmahnungen – nicht um die unberechtigte Verwendung des Bildes. Sondern der Verstoß betrifft das Namensnennungsrecht. Aber die Abmahnung enthält keine Hinweise zu diesem Unterschied.
Darüber hinaus wird bei der Lizenzgebühr MwSt. gefordert, bei dem weiteren Schadensersatz und den Anwaltsgebühren allerdings nicht. Die MwSt. wird auch der Höhe nach fehlerhaft angegeben.
Schadensersatz
Insgesamt wird in der Abmahnung ein Betrag in Höhe von € 719,30 als Schadens- und Aufwendungsersatz gefordert. Dem – mal mit, mal ohne MwSt. – geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von € 438,– liegt eine fiktive Lizenzgebühr zugrunde. Allerdings hat das OLG Köln mit Urteil vom 31.10.2014 festgestellt:
„Der „objektive Wert“ der […] Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts kann nur mit Null angesetzt werden […]. Im Fall der fehlenden Urheberbenennung eines Fotografen wird zwar üblicherweise ein 100%iger Aufschlag auf den nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden gewährt […] Aber 100% von 0 sind immer noch 0.“
OLG Köln, Az. 6 U 60/14
Hier sind § 249 BGB und § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG zu berücksichtigen. Ein Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Der konkreten Rechtsverletzung liegt aber eine CC-Lizenz zugrunde, deren Tarif 0 EUR beträgt.
Aufwendungsersatz
Bereits eine kurze Google-Recherche führt zu dem Ergebnis, dass Herr Sven Teschke Herrn RA Dr. jur. Müsse schon mehrfach beauftragt hat, vergleichbare Abmahnungen auszusprechen. Zunächst einmal ist aber jeder Rechteinhaber selbst in der Lage, einen Verletzter aus Zeit- und Kostengründen, auf die Rechtsverletzung – mit der Bitte, diese zukünftig zu unterlassen – aufmerksam zu machen. Das gilt erst recht, da der Rechteinhaber bereits für andere absolut gleichartige Abmahnungen einen Rechtsanwalt beauftragt hat. Darüber hinaus bestand die anwaltliche Abmahnung aus Textbausteinen. Die Formulierungen waren außerdem juristisch keinesfalls kompliziert, sondern sogar sehr einfach und allgemein.
Das OLG Braunschweig hat u.a. festgestellt:
„Sofern der Fotograf selbst in der Lage ist, den urheberrechtlichen Verstoß einer ungenehmigten Fotonutzung zu erkennen, eine vorgerichtliche Abmahnung des Verletzers vorzunehmen und letzteres in zurückliegender Zeit in anderen gleichgelagerten Fällen auch schon getan hat, sind die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des vorgerichtlichen Abmahnverfahrens nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig i.S. des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG. Die Kenntnis hierzu kann der Fotograf auch dadurch erlangen, dass er zuvor in gleichgelagerten anderen Verfahren anwaltliche Hilfe zur Durchführung der Abmahnung in Anspruch genommen hatte und sich ihm aufgrund der Gleichartigkeit der Verletzungen und der dagegen gerichteten außergerichtlichen Vorgehensweise ohne Weiteres erschließt, wie er zukünftig selbst Verletzungen erkennen und Abmahnungen durchführen kann.“
OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012 – 2 U 7/11
Reaktion auf die Abmahnung des RA Dr. jur. Müsse
Da der Urheber nicht lizenzgerecht angegeben wurde und somit ein Unterlassungsanspruch besteht, hat meine Mandantschaft eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben. Auch die – nur allgemein – geforderte Auskunft haben wir erteilt. Darüber hinaus habe ich in dem Schreiben an RA Dr. jur. Müsse auf die o.a. Argumentation hingewiesen. Das führt zu dem Ergebnis, dass weder Schadens-, noch Aufwendungsersatzansprüche bestehen.
Allerdings ist die Rechtsprechung zu Schadensersatz bei CC-Lizenzen nicht einheitlich. Und einige Gerichte teilen die Auffassung des OLG Braunschweig nicht. Auch tat meiner Mandantschaft der Fehler ihrer Mitarbeiterin leid und sie wollte Herrn Teschke wegen der fehlerhaften Urhebernennung entschädigen. Meine Mandantschaft hat daher – mit dem Vorschlag einer vergleichsweisen Erledigung – einen Betrag von € 300,– gezahlt.
RA Dr. jur. Müsse lehnte den Vergleich ab. Er hat Klage erhoben.
Update 20.11.15:
Das AG Kempten hat die Klage abgewiesen (Kein Schadensersatz bei Creative Commons Lizenz). Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer Schadensberechnung nach der sog. Lizenzanalogie bei einer Creative Commons Lizenz kein Anspruch auf Schadensersatz besteht, die Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgte und darüber hinaus die vorprozessuale Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war.
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