Bei einer Internetrecherche bin ich auf einen interessanten Beitrag des Kollegen Petring aus Bielefeld gestoßen. Mit deutlichen Worten stellt er das Geschäftsmodell „Filesharing Abmahnungen“ bloß. Er thematisiert u.a. die Frage der angeblichen Kostenerstattungsansprüche, die – zumindest in der angegebenen Höhe – tatsächlich den Rechteinhabern gar nicht in Rechnung gestellt werden. Denn sie dienen lediglich der fingierten Forderungsbegründung gegenüber dem Abgemahnten.
Wie gerechtfertigt seine Aussagen sind, stelle ich immer wieder in den einschlägigen Verfahren fest.
Vollmacht bei Filesharing Abmahnungen
Abmahnanwälte legen in Filesharing-Sachen üblicherweise keine Vollmachten vor. Daher gehört es u.a. zu meinem Standardvorgehen, den Nachweis der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zu verlangen. Eine bekannte Abmahnkanzlei hat mir zumindest ein Schriftstück übermittelt, das mit der Überschrift „Vollmacht“ versehen war. Dem Geschäftsführer des betreffenden Musik-Labels stand offenbar kein Stempel zur Verfügung. Und nach der kürzlich erfolgten Übernahme des Labels ist auch die Frage nach der Legitimation gerechtfertigt. Darüber hinaus handelt es sich bei diesem Schriftstück vermutlich um eine Generalvollmacht – vorausgesetzt man akzeptiert es überhaupt als Vollmacht.
Zumindest erlaubt dieses Schreiben die Schlussfolgerung, dass die Abrechnung der abmahnenden Kanzlei gegenüber dem Rechteinhaber im Rahmen eines Großmandats erfolgt. Üblicherweise werden dann nicht die Gebührensätze des RVG zugrunde gelegt, sondern Pauschalhonorare vereinbart.
Pauschalhonorar
Daher stellt sich die Frage, welches Honorar im Einzelfall wirklich gezahlt wurde. Denn nur für dieses würde – im Fall einer tatsächlichen Urheberrechtsverletzung – ein Kostenerstattungsanspruch bestehen.
In der Abmahnung wurde ein Vergleichsbetrag i.H.v. 450,00 € gefordert. Nachdem mein Mandant – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, reagierte die Abmahnkanzlei wie folgt:
Darüber hinaus wurde die Geltendmachung von Anwaltsgebühren in Höhe von € 651,80 angedroht.
Eine Interpretation dieser Ausführungen führt m.E. zu folgendem Ergebnis:
- entweder soll der Unterlassungsanspruch auf der Basis eines behaupteten Streitwerts in Höhe von 10.000 € gerichtlich geltend gemacht werden; da der Unterlassungsanspruch erfüllt wurde, gibt es dafür aber keine rechtliche Grundlage,
- oder es soll im Nachhinein ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von € 651,80 gerichtlich geltend gemacht werden; aber der bestand weder zum Zeitpunkt der Abmahnung, noch zum Zeitpunkt des zweiten Schreibens – das ergibt sich zumindest aus der Formulierung „die dann entstehenden Anwaltskosten„,
- oder es sind die zukünftigen Anwaltskosten für ein gerichtliches Verfahren gemeint. Diesem könnte allerdings nur der ursprünglich behauptete Anspruch als Streitwert zugrunde gelegt werden – also € 450,00. Das würde zu Anwaltsgebühren in Höhe von € 206,41 führen – keinesfalls jedoch zu den angegebenen € 651,80.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, die Ausführungen in dem o.a. Schreiben der Abmahnkanzlei sachlich und zutreffend zu verstehen. Aber nachdem die erste und dritte Variante meiner Interpretation rechtlich nicht haltbar ist, bleibt nur die zweite Variante übrig.
Vergleichsbetrag
Der Vergleichsbetrag in der Abmahnung in Höhe von € 450,00 ist eine Pauschale für folgende Positionen:
- Schadensersatz an den Rechteinhaber
- Anwaltskosten für das Abmahnschreiben
- Anwalts- und Gerichtskosten für die Auskunftserteilung
- Aufwendungen des Providers
- Technikkosten
Da in diesem Betrag bereits Anwaltskosten enthalten sind, müsste eine Rechnungsstellung an den Rechteinhaber bereits erfolgt sein. Daher stellt sich die Frage nach der rechtlichen Grundlage für die in Aussicht gestellte nachträgliche Erhöhung der Anwaltsgebühren. Die einzige Antwort, die mir auf diese Frage einfällt, ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch, wobei – dies nur zur Klarstellung – die strafrechtliche Relevanz natürlich nicht den Abgemahnten betrifft, sondern die abmahnende Kanzlei.
Das oben zitierte zweite Schreiben der Abmahnkanzlei enthält keinerlei Aussagen zu den sonstigen behaupteten Aufwendungen des Rechteinhabers. Aber die angebliche Schadensersatzforderung wird mit € 150,00 angegeben und zusätzlich zu den € 651,80 gefordert.
Und auch die Tatsache, dass der angegebene Streitwert „von nicht unter € 10.000,00“ für einen Titel mittlerweile nicht mehr „üblicherweise“ von den Gerichten angenommen wird, soll hier lediglich erwähnt werden.
Fazit:
Es bleibt die Frage, welche Gebühren die abmahnende Kanzlei gegenüber dem Rechteinhaber wirklich geltend macht und auf welcher rechtlichen Grundlage nachträglich eine höhere Gebührenforderung gegenüber dem Abgemahnten geltend gemacht werden soll.