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Ein Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 20.10.2023

Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall - Unfall-PKW

Es geht hier nur um einen Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall: Ein höheres Restwertangebot der Versicherung – verbunden mit der Weigerung die Differenz zum Restwert lt. Gutachten zu zahlen. Die gegnerischen Versicherungen haben aber mehr Tricks auf Lager (Die Tricks der Versicherungen bei Unfallschäden).

Sachverhalt

Mein Mandant war unverschuldet an einem Verkehrsunfall beteiligt – zum Glück gab es keine Personenschäden. Aber der Sachschaden an seinem PKW lag nur unwesentlich unter einem wirtschaftlichen Totalschaden. Bei dieser Konstellation entschied er sich nach einiger Überlegung für den Verkauf und gegen eine Reparatur.

Das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten enthielt auch 3 Angebote zum Kauf des Unfallwagens. Das ist bei dieser Konstellation üblich. Die Gebote stammten von verschiedenen Autohändlern vor Ort. Das höchste Gebot bestimmt den Restwert für den nicht reparierten PKW.

Die Fachwerkstatt, die er für eine evtl. Reparatur aufgesucht hatte, war gleichzeitig Vertragshändler der Marke des verunfallten PKW. Sie war bereit, den Unfallwagen zum Restwert lt. Gutachten zu kaufen. Der Kaufvertrag wurde geschlossen.

Ich wurde mit der Vertretung des Unfallopfers beauftragt und machte bei der gegnerischen Versicherung zunächst dem Grunde nach Schadensersatzansprüche geltend. Denn zu diesem Zeitpunkt lagen die einzelnen Schadenspositionen noch nicht vor.

Bevor ich den Schaden konkretisieren konnte, schickte mir die gegnerische Versicherung ein höheres Restwertangebot für den Unfallwagen. Auch das ist üblich, hatte hier aber einen besonders faden Beigeschmack. Denn das ist zwar ein ständiger Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall. Aber dieses Angebot war mehr als fragwürdig.

Rechtsprechung zum höheren Restwertangebot

Eigentlich hätten wir uns beruhigt zurück lehnen können, denn die Rechtsprechung ist diesbezüglich eindeutig:

Ein Unfallopfer muss nicht auf derartige Angebote der gegnerischen Versicherung warten. Es darf sich auf das Gutachten verlassen und den Unfallwagen verkaufen.

Beim Schadensersatz wird dann mindestens der im Gutachten festgelegte Restwert abgezogen. War der Verkaufserlös höher, dann dieser Betrag. Das gilt allerdings nur, wenn der Unfallwagen zum Zeitpunkt des Angebots der gegnerischen Versicherung bereits verkauft war. Und das war hier der Fall.

Die verbindlichen Angebote, die Haftpflichtversicherungen in diesen Fällen übermitteln, sind immer höher, als die Angebote, die den Gutachten zugrunde liegen (siehe unten).

Aber das hier vorliegende Angebot war erstaunlich. Denn es überstieg bei Weitem das Doppelte des im Gutachten angegebenen Restwerts.

Die Restwertbörse der Haftpflichtversicherung

Die Haftpflichtversicherungen ermitteln derartige Angebote nicht selbst. Sie nutzen externe Dienstleister. Und diese nutzen eine Restwertbörse, die weder einem Unfallopfer, noch einem normalen Autokäufer zugänglich ist.

Mangels Zugang zu derartigen Börsen kann ich hier nur eine Vermutung äußern. Und diese Vermutung resultiert aus einem Verfahren, das ich unter “Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag” (teilweise) beschrieben habe.

Was ich in dem oben verlinkten Beitrag nicht beschrieben habe:

Der Unfallwagen (wirtschaftlicher Totalschaden i.S. des Leasingrechts) war auf einer Restwertbörse angeboten worden. Ein Händler kaufte ihn nur aufgrund der Angaben im Gutachten. Er kannte die Bilder des Unfallschadens, die Bestandteil des Gutachtens waren, hatte den beschädigten PKW aber nie gesehen. Der wurde von seinem Standort direkt nach Polen transportiert und dort repariert.

Die Reparaturkosten wurden dann in II. Instanz des o.a. Verfahrens offenbart – sie betrugen weniger, als 10% der im Gutachten ausgewiesenen Reparaturkosten.

Verkauf von Unfallwagen mit Totalschaden als unfallfreier Gebrauchtwagen

Der reparierte PKW wurde von der polnischen Niederlassung des Händlers in seine deutsche Niederlassung transportiert und dann – ohne Angabe des Unfallschadens – mit dem Vermerk verkauft, es habe lediglich an der Seite einen überlackierten Kratzer gegeben.

Und jetzt stellen Sie sich vor: Sie kaufen einen Jahreswagen und Ihnen wird gesagt: Es gab keinen Unfall, nur einen Kratzer an der Seite und der wurde überlackiert.

Da können sicherlich viele Autofahrer mitreden – derartige Schäden resultieren üblicherweise aus Unachtsamkeit auf Parkplätzen oder in Parkhäusern. Wurde der Kratzer fachgerecht lackiert, ist das für manche Käufer nicht wichtig – immerhin gibt es einen kleinen Rabatt beim Kaufpreis.

Und nun stellen Sie sich vor, Sie sehen im Gutachten den tatsächlichen Unfallschaden, der die gesamte linke Seite des PKW betraf. Dieser war einen Abhang hinunter gerollt und mit der linken Seite auf ein Hindernis aufgeprallt. Die gesamte linke Seite war völlig deformiert und hatte sich verzogen. Die beiden Türen links waren unbrauchbar und mussten – neben weiteren Reparaturen – ersetzt werden.

Und wenn Sie sich das vorgestellt haben, haben Sie vielleicht – wie ich auch – eine Vermutung, wie diese Restwertbörsen funktionieren.

Aber zurück zu dem Sachverhalt, der hier relevant ist.

Auswirkungen auf den Schadensersatz

Bei einem derartigen Missverhältnis bzgl. des Restwertes, wie hier, bestand die Gefahr, dass die gegnerische Versicherung sich stur stellt, die Schadenersatzzahlung zur Differenz der Restwerte verweigert und den Weg durch die gerichtlichen Instanzen in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15).

Und das ist der eigentliche Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall.

Denn abgesehen von dem Ziel der Versicherung, die Schadensforderung zu reduzieren, ist ein Unfallopfer bei einem Totalschaden oft auf die Zahlung des vollen Schadenersatzes angewiesen, um sich einen neuen PKW kaufen zu können. Ein kostspieliges Gerichtsverfahren liegt meistens nicht im Interesse der Unfallopfers.

So war es auch hier: Mein Mandant brauchte ein Auto und war darauf angewiesenen, einen anderen PKW zu kaufen. Und dafür benötigte er die komplette Schadenersatzzahlung.

Ich sprach mit dem Vertragshändler, der den Unfallwagens gekauft hatte und schilderte ihm die Situation. Als ich ihm die Höhe des neuen Gebots mitteilte, bekam er einen Lachanfall.

Er meinte, das sei unmöglich und das möchte er miterleben. Dafür war er auch bereit, von dem Kaufvertrag zurück zu treten – allerdings nur, wenn wir das auch wirklich zeitnah abwickeln können. Denn die Reparatur des PKW war schon eingeplant.

Der neue Kaufinteressent

Also telefonierte ich mit dem neuen Kaufinteressenten. Aber zuvor hatte ich ein “Déjà-vu”. Das neue Kaufangebot der gegnerischen Versicherung enthielt nur die Kontaktdaten des externen Dienstleisters, der die Unfallwagen auf der Restwertbörse anbietet. Das Telefon war ständig besetzt.

Immerhin waren der Name und die Anschrift des Kaufinteressenten angegeben. Ich fand ihn über Google – ein Autohändler auf “mobile.de” ohne eigene Website. Das war neu und doch vertraut. Der Händler, der den in dem o.a. Artikel angegebenen Unfallwagen (mit Totalschaden) mit dem Hinweis “lediglich ein Kratzer” verkauft hatte, hatte wenigstens eine Website. Aber die war voller Fehler (Rechtschreibung, Grammatik und juristisch). Und die “Autohändler Group“ hatte sich als Einzelunternehmen entpuppt.

Der neue Kaufinteressent war wenigstens so ehrlich, auf sein Einzelunternehmen hinzuweisen. Aber welcher Unternehmer kann heutzutage auf eine Website verzichten?

Wie auch immer: Ich rief den Kauf-Interessenten an und redete Klartext. Ich erklärte ihm, dass der PKW bereits verkauft war, der Käufer, aber evtl. bereit ist, vom Kaufvertrag zurück zu treten, weil er sich nicht vorstellen kann, dass irgendjemand bereit sein könnte, diesen Kaufpreis zu zahlen.

Denn das neue Gebot und die erforderlichen Reparaturkosten würden fast das Doppelte des Wertes eines vergleichbaren unfallfreien PKW betragen.

Und ich teilte ihm meine Vermutung mit, dass die Reparatur vermutlich in Polen stattfinden wird. Er bestätigte das indirekt und erklärte (nach einiger Überlegung), dass er nach wie vor an seinem Angebot fest hält.

Wir vereinbarten die Modalitäten zur Abholung und dem Verkauf. Der fand dann auch statt.

Der Verkauf

… wurde mir durch meinen Mandanten geschildert: Der PKW stand im Autohaus des Erstkäufers und der hatte eine Menge Spaß bei dem Verkauf, was ihn für den Rücktritt vom Kaufvertrag entschädigte.

Ich hatte den Zweitkäufer auch darauf hingewiesen, dass der Unfallwagen nicht verkehrssicher ist. Meine Vermutung, dass das für den neuen Käufer ohne Relevanz ist, bestätigte sich. Er kam nicht mit einem Abschleppwagen, sondern nur mit “roten Kennzeichen”.

Der Blick in die Zukunft

Ich weiß nicht, wie es dann weiter ging. Aber ich habe eine blühende Phantasie. Und die sagt mir, dass auch die Fahrt nach Polen vermutlich nicht mit dem Abschleppwagen, sondern mit dem nicht verkehrssicheren Unfallwagen erfolgen wird.

Schon diese Vorstellung ist erschreckend, denn es gibt Gründe dafür, dass der Gutachter den Unfallwagen als nicht verkehrssicher und nicht fahrbereit eingeordnet hat. Und das Weitere will ich mir gar nicht vorstellen. Ich stelle mir nur die Frage:

Wird der Käufer, der den dann reparierten Unfallwagen erwirbt, von dem Unfallgeschehen erfahren?

Trick der Versicherung nach einem Verkehrsunfall – Fazit:

Ich gehe davon aus, dass die Haftpflichtversicherer genau wissen, was es mit den Angeboten bei diesen Restwertbörsen auf sich hat. Und ich denke, sie wissen auch, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Ich mag mich in diesem Fall vielleicht irren, denn ich weiß nicht, mit welchen Angaben der PKW später weiter verkauft wird. Aber das Prinzip, das damit verbunden ist, ist sicherlich kein Einzelfall. Deutsche Unfallwagen werden in Polen repariert und dann in Deutschland weiter verkauft – und das vermutlich nicht immer mit dem Hinweis auf ein Unfallgeschehen.

Und für den Transport eines Unfallwagens habe ich ein weiteres Beispiel: Ein PKW mit wirtschaftlichem Totalschaden, der auf der gesamten rechten Seite völlig demoliert – und weder verkehrssicher noch fahrbereit – war, wurde von einem Käufer aus Frankfurt am Main von der Werkstatt in München – zu deren Erstaunen – ebenfalls nur mit “roten Kennzeichen” abgeholt.

Der Kauf erfolgte ebenfalls aufgrund des Angebots des Dienstleisters der beteiligten Versicherung in einer Restwertbörse.

Verkehrssicherheit sieht anders aus!

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