Kratzer oder Unfall?
Für den Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag gab es gute Gründe. Und das dann folgende Gerichtsverfahren war für den gegnerischen Verkäufer ein teures „Vergnügen“. Aber dass wir für den Sieg zwei Instanzen benötigten, ist mir immer noch unverständlich.
PKW-Kauf und PKW-Kaufvertrag
Mein Mandant suchte einen Opel-Jahreswagen und wurde auf „mobile.de“ fündig. Er klärte telefonisch, ob evtl. Vorschäden bestanden oder ein Unfallgeschehen zu berücksichtigen sei. Ein Mitarbeiter des Verkäufers teilte ihm mit, dass lediglich ein Kratzer an der linken Seite ausgebessert wurde und es keinen Unfall gegeben habe.
Auf den über lackierten „Kratzer“ wurde auch im Kaufvertrag hingewiesen.
Wenige Tage nach dem Kauf stellte mein Mandant fest, dass sich das Fenster der hinteren Tür links nicht öffnen ließ. Daher fuhr er in eine Opel-Werkstatt, um die Ursache zu klären.
Ein Mitarbeiter sah sich den PKW genauer an. Und er kam zu dem Ergebnis, dass die Fahrertür und vermutlich auch die linke Beifahrertür ausgetauscht wurden. Schriftlich bestätigen wollte er das allerdings nicht.
Aus diesem Grund rief mein Mandant den Vorbesitzer an. Der PKW gehörte zu einem Fuhrpark und anhand der Daten im Computer konnte der Vorbesitzer nur nachvollziehen, dass das Fahrzeug einen Abhang herunter gerollt und auf ein Hindernis aufgeprallt war.
Es handelte sich um ein Leasing-Fahrzeug. Und der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der PKW einen wirtschaftlichen Totalschaden i.S. des Leasing-Rechts aufwies.
Außergerichtliche Bemühungen – Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag
Unsere Bemühungen, die Sache unkompliziert telefonisch zu regeln, blieben erfolglos. Daher erfolgte schriftlich der Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag (§ 323 BGB) und die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Nachdem die gesetzte Frist ergebnislos verstrichen war, erhoben wir Klage vor dem LG Augsburg.
Gerichtliches Verfahren – I. Instanz
Die Gegenseite stritt ab, was abzustreiten war. Für den Unfall und die ausgetauschten Türen waren wir beweispflichtig. Der Vorbesitzer hatte das Gutachten nicht und die Leasingfirma verweigerte die Herausgabe. Also benannten wir den Vorbesitzer und eine Mitarbeiterin der Leasingfirma als Zeugen.
Aber zur Verhandlung waren nur der Verkäufer und als Zeuge sein Mitarbeiter, der den Verkauf abgewickelt hatte, geladen.
Warum das Unfallgeschehen, das wir unter Beweis gestellt hatten, für den Richter nicht relevant war, blieb mir ein Rätsel. Ebenso war mir unklar, weshalb er keine Veranlassung sah, die von uns benannten Zeugen zu hören. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag nicht berechtigt war.
Die Klage wurde abgewiesen. Und wir legten Berufung ein.
Gerichtliches Verfahren – II. Instanz
Die Berufung war zwar umfangreicher. Aber im Wesentlichen begründeten wir sie mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das OLG sah das wohl ähnlich, denn der Vorbesitzer und eine Mitarbeiterin der Leasing-Firma wurden nunmehr zur Verhandlung geladen.
Und dann gab es eine Überraschung: Die Mitarbeiterin der Leasing-Firma hatte einerseits Urlaub und wollte andererseits nicht 500 km zur Verhandlung fahren. Und nach einigem Hin und Her erhielten wir schließlich das Gutachten mit Fotos.
Der PKW war nicht nur an der linken Seite, sondern auch vorne und hinten erheblich beschädigt. Neben weiteren Reparaturarbeiten war ein Austausch der beiden linken Türen erforderlich. Die Reparaturkosten waren mit 9.700,00 € angegeben.
Wir verzichteten nunmehr auf beide Zeugen. Die Verhandlung war trotzdem interessant, denn der Verkäufer verstand die Welt nicht mehr. Sein Hauptargument: Der PKW sei fachmännisch repariert worden.
Ob das der Fall war, war aber unerheblich. Er hatte zwar den Unfallwagen nicht gesehen. Aber er kannte die Bilder des Gutachtens, weil diese Bestandteil der Internetauktion waren, bei der er den PKW gekauft hatte. Daher wusste er auch von dem Unfallgeschehen.
Die Klage war nunmehr erfolgreich.
Der Verkäufer musste den PKW zurück nehmen und für den Kaufpreis, Nebenforderungen, außergerichtliche und gerichtliche Anwaltsgebühren meines Mandanten und Verfahrenskosten 19.040,00 € erstatten. Dazu kommen noch die Gebühren seiner Anwältin i.H.v. 4.330,00 €.
Fazit :
Manchmal sollte man ein Telefongespräch ernst nehmen oder sich wenigstens vernünftig anwaltlich beraten lassen. Denn bei einer außergerichtlichen Klärung hätte der Gegner Kosten i.H.v. mehr als 10.000,00 € sparen können.
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Hallo Frauke,
toller Beitrag mit sehr guten Informationen.
LG von Winni