Oft findet sich in Filesharing-Verfahren die Konstellation, dass der Anschlussinhaber die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung bestreitet und mitteilt, zur fraglichen Zeit nicht zu Hause gewesen zu sein. In diesem Fall obliegt ihm eine sekundäre Darlegungslast. D.h. er muss nachzuweisen dass er die Rechtsverletzung nicht begangen hat. Aber das ist häufig nur schwer möglich. Das OLG Frankfurt hat in einem Beschluss in bemerkenswerter Weise zur Frage der Darlegungs- und Beweislast in Filesharing Verfahren Stellung bezogen.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.09.2011, 11 U 53/11
Darlegungs- und Beweislast in Filesharing Verfahren
Grundsätzlich besteht nach der Rechtsprechung zunächst eine Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber der ermittelten IP-Adresse die Rechtsverletzung selbst begangen hat. Macht er jedoch geltend, dass er den vermuteten illegalen Down-/Upload nicht begangen hat, obliegt ihm eine sekundäre Darlegungslast.
Das hat der BGH in der Entscheidung Sommer unseres Lebens ausgeführt. D.h. das einfache Bestreiten des Anschlussinhabers – allein mit dem Hinweis, die Rechtsverletzung sei nicht von ihm begangen worden – reicht nicht aus. Er muss die Gründe dafür darlegen, dass er es gar nicht gewesen sein kann und diese Angaben u.U. auch beweisen.
In der Praxis ist dieser Beweis jedoch schwer zu führen, wenn keine Zeugen vorhanden sind. Oft bleibt dem beklagten Anschlussinhaber dann nur die Möglichkeit, seine eigene Aussage als Beweismittel anzubieten (Parteieinvernahme). Allerdings wird dieses Beweisangebot meist von der Klägerseite zurückgewiesen und auch von den Gerichten oft nicht wahrgenommen.
Das OLG Frankfurt hat nun entschieden, dass dem Beweisangebot der Parteieinvernahme durch das Gericht nachzugehen ist.
Sachverhalt:
In dem Berufungsverfahren vor dem OLG wurde festgestellt, dass der Beklagte bereits in erster Instanz durch Parteivernehmung Beweis dafür angeboten hatte, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt ortsabwesend war. Zudem hat er allein in der Wohnung gelebt. Und sein Computer war üblicherweise beim Verlassen der Wohnung ausgeschaltet.
Während das Landgericht in I. Instanz die Auffassung vertreten hatte, der Beklagte sei der ihm obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht in ausreichendem Maß nachgekommen, wies das OLG darauf hin, dass der o.a. Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz zuzulassen ist und den Beweisangeboten bereits in der Vorinstanz hätte nachgegangen werden müssen.
Darüber hinaus führte der Senat aus, dass für die Frage der täterschaftlichen Begehung der Aktivierungszustand des Computers maßgeblich ist. Er wie außerdem darauf hin, dass bei einem zum Tatzeitpunkt ausgeschalteten Computer „ein aktivierter Internetanschluss allein lediglich als Grundlage einer Störerhaftung herangezogen werden“ kann.
In einer Beweisaufnahme hätte neben der Frage der täterschaftlichen Begehung bzw. der Haftung als Störer überdies durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden müssen, ob eine WEP-Verschlüsselung für einen im November 2005 angeschafften Router marktüblich war (vgl. BGH – Sommer unseres Lebens).
Die Kosten des Verfahrens
Da der Rechtsstreit durch die Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde und es insofern einer Beweisaufnahme nicht mehr bedurfte, hatte der Senat lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Kosten gegeneinander aufgehoben werden. D.h. jede Partei trägt ihre Anwaltskosten selbst und die Gerichtskosten werden geteilt. Das OLG führt dazu aus:
„Welcher Verfahrensausgang ohne die Erledigung zu erwarten gewesen wäre, ist nach dem maßgebenden Sach- und Streitstand bei Erledigung – hier durch die Abgabe der unbedingten strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 8.9.2011 – nicht zu beurteilen, da der Ausgang des Rechtsstreits von einer Beweisaufnahme abhängig war, zu welcher es infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht kommt. In einem solchen Fall sind die Kosten des Rechtsstreits in der Regel gegeneinander aufzuheben (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO. 28. Aufl., § 91a Rd. 26; OLG Stuttgart MDR 2011, 1066, 1067). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, von diesem Grundsatz abzuweichen.“
OLG Frankfurt a.M., 11 U 53/11
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- unter Störerhaftung (mit Hinweisen zur „tatsächlichen Vermutung der Täterschaft„, der „sekundären Darlegungslast“ und zu „Filesharing von Minderjährigen„),
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- Rechteinhaberin DigiRights Administration GmbH. Dieser Beitrag enthält ein umfangreiches Update zum Urteil des EuGH vom 17.06.2021 (C-597/19). Aus diesem ergeben sich neue Verteidigungsansätze.
Die Rechtsprechung des BGH zu Filesharing-Abmahnungen haben wir in einem Blog-Beitrag zusammen gefasst >> Filesharing-Urteile des BGH – „Loud“, „Afterlife“, „BearShare“ u.a..
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