Schon früher wurde der Schadensersatz bei Filesharing Abmahnungen in den dann folgenden gerichtlichen Verfahren in Höhe von mindestens € 150,00 pro Musiktitel festgesetzt. Kurzzeitig gab es die Hoffnung, dass die Gerichte den Schadensersatz herab setzen.
Mit dem Hinweisbeschluss des OLG Köln im Verfahren 6 U 67/11 wurden erstmals Bedenken sowohl gegen die Höhe, als auch die Art und Weise der Ermittlung der seitens der Kläger geltend gemachten Schadensersatzforderung geäußert.
Dieser Beschluss erging im Rahmen eines (damals) laufenden Filesharing-Prozesses. Da der Schadensersatzanspruch sich auch auf den Streitwert auswirkt, war dieser Hinweisbeschluss ein Schritt in die richtige Richtung. Denn der Streitwert hat auch Auswirkungen auf die durch die Abmahnkanzleien geltend gemachten Anwaltsgebühren.
Auch wenn es sich lediglich um eine vorläufige Einschätzung in einem damals noch nicht beendeten Verfahren handelte, bestand die Hoffnung, dass die Gerichte das Problem der Filesharing-Abmahnungen zunehmend differenzierter und auch kritischer beurteilen.
Letzteres ist mittlerweile zumindest teilweise der Fall: In etlichen BGH-Urteilen wurden einige Kernprobleme der Filesharing-Verfahren höchstrichterlich und teilweise zu Gunsten der Abgemahnten entschieden. Eine Reduzierung des Schadensersatzes gab es allerdings nicht.
Schadensersatz Filesharing: Ermittlung der Schadenshöhe
In Filesharing-Verfahren wird die Höhe des Schadensersatzes üblicherweise gem. § 287 ZPO geschätzt. Früher hatten die abmahnenden Kanzleien für diese Schätzung den GEMA-Tarif VR W I zugrunde gelegt. Und die Gerichte waren dieser Auffassung überwiegend gefolgt. Der Tarif VR W I bezieht sich auf die Nutzung von Musikwerken als Hintergrundmusik (z.B. bei Werbung), die als Streaming zur Verfügung gestellt wird. Als Mindestlizenz ist nach diesem Tarif eine Zahlung in Höhe von 100 € für bis zu 10.000 Abrufe zu leisten.
Im Ergebnis dessen wurden in den früheren gerichtlichen Entscheidungen pro Titel Beträge von 150 € bis 300 € als Vergütung berücksichtigt. Allerdings stehen die betreffenden Songs in Musikportalen oft für 0,99 € bis 1,20 € zum legalen Download zur Verfügung.
Das OLG Köln verwies im Verfahren 6 U 67/11 darauf, dass der Tarif VR W I den Besonderheiten eines Filesharing-Verfahrens nicht gerecht wird. Diesen sei bei der Berechnung des Schadens der Tarif VR-OD 5 zugrunde zu legen. Und der geht für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zu 5 Minuten von einer Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff auf den einzelnen Titel aus.
Dem klägerischen Einwand, dass dieser Tarif sich auf die Rechte der Komponisten und Textdichter beziehe, die Mindestvergütungen der Tonträgerhersteller wegen des von ihnen getragenen kompletten wirtschaftlichen Risikos aber um ein Vielfaches höher seien, begegnete das Gericht mit der Aufforderung an die Klägerinnen, die jeweilige Vergütung für die Lizenzierung von Titeln zum Download über eine Plattform im Internet offenzulegen.
Anzahl der Zugriffe
Darüber hinaus forderte das Gericht die Klagepartei auf, darzulegen, wie viele Zugriffe auf den Rechner der Beklagten zum Zweck des Downloads der streitgegenständlichen Titel erfolgt sind.
Das OLG stellte im Hinweisbeschluss auch fest:
„Es wird dann weiter Folgendes zu berücksichtigen sein: Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar – wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen – einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine – aus diesem Grund zumindest theoretisch möglich erscheinende – vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung einer der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein.“
Die damaligen gerichtlichen Hinweise deuteten zumindest an, dass die Kritik an der Praxis der Schadensberechnung in Filesharing-Verfahren nicht mehr ungehört verhallte. Aber die Hoffnung auf eine Änderung der Höhe des Schadensersatzes in Filesharing-Verfahren bestand nur kurz.
Urteil des OLG Köln, 6 U 67/11
Leider ist das OLG von seiner Auffassung im obigen Hinweisbeschluss abgewichen. Die Berufung der beklagten Anschlussinhaber wurde zurückgewiesen. Der BGH hat dieses Urteil – aus anderen Gründen – aufgehoben: BGH-Urteil vom 15.11.2012, I ZR 74/12, Morpheus. Zu diesem Urteil habe ich unter BGH: Eltern haften nicht für Filesharing ihrer Kinder einen Blogbeitrag verfasst.
Schadensersatz bei Filesharing – aktuell
Der BGH hat zur Höhe des Schadensersatzes in Filesharing-Verfahren inzwischen mehrfach Stellung genommen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dem Rechteinhaber Schadensersatzansprüche in Höhe von 200 € für jede zum Download bereitgehaltene Datei mit Musikaufnahmen zustehen (Tauschbörse I).
Die Rechtsprechung des BGH zu Filesharing-Abmahnungen haben wir in einem Blog-Beitrag zusammen gefasst >> Filesharing-Urteile des BGH – „Loud“, „Afterlife“, „BearShare“ u.a..
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